Veröffentlicht am Immer mehr Wolfsrisse – Bauernbund fordert aktiven Herdenschutz

KalbLDS_jpg_pagespeed_ce_79dKG8JdKADie Zahl der Wolfsrisse in Brandenburg steigt – bei Kälbern haben sich die anerkannten Risse 2016 mehr als vervierfacht (aktuell 13), die Dunkelziffer ist hoch. Auf einem Pressetermin in Krielow forderte der Bauernbund Brandenburg deshalb am Donnerstag von Minister Vogelsänger eine Wolfsverordnung, um zum Schutz von Mensch und Weidetieren Problemwölfe unkompliziert entnehmen zu können.

„Mit Zäunen und Hunden kommen wir nicht weiter. Wir brauchen einen aktiven Herdenschutz, der sofort durch die Jäger vor Ort umgesetzt werden kann,“ sagte Marco Hintze, Vorstandsmitglied des Bauernbundes. Um betroffene Landwirte künftig fachkundig zu beraten, hat der Bauernbund außerdem einen Wolfsbeauftragten ernannt: Frank Michelchen aus Leibsch im Spreewald, der rund 100 Hektar Grünland ökologisch bewirtschaftet und 46 Mutterkühe hält, wird künftig Berufskollegen Auskunft darüber geben, wie man sich bei Wolfsrissen verhalten sollte.

„Ich selbst habe bereits zwei Kälber verloren und inzwischen viele Erfahrungen mit dem so genannten Wolfsmanagement des Landes gesammelt, die ich gern weitergebe.“ Michelchen ist erreichbar unter der Telefonnummer 0160-95645150.

Marco Hintze, Mutterkuhhalter aus Krielow, Vorstandsmitglied des Bauernbundes: „Die ganzen Kompromisslösungen funktionieren einfach nicht. Herdenschutz ist eine schöne Theorie, aber der Wolf ist schlau und lernt dazu. Würden wir unsere Weiden flächendeckend durch wirklich wolfssichere Zäune schützen, wären das Investitionen von 250 Millionen Euro. Das kann niemand bezahlen. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen solcher Befestigungsanlagen auf das Landschaftsbild. Wenn ich höre, wir sollen wieder lernen, mit dem Wolf zu leben, kann ich nur antworten: Die Jahrhunderte, in denen wir mit dem Wolf gelebt haben, durften wir uns wenigstens wehren.“

Reinhard Jung, Mutterkuhhalter aus Lennewitz, Geschäftsführer des Bauernbundes: „Es geht uns nicht darum, den Wolf in Brandenburg auszurotten. Was wir brauchen ist eine Anpassung des EU-Schutzstatus an die gewachsene Population. Der Wolf ist nicht mehr vom Aussterben bedroht. So lange die EU-Bürokraten das Thema noch aussitzen, muss uns der Minister per Verordnung erlauben, Problemwölfe zu schießen. Und ein Wolf, der auf weniger als tausend Meter an unsere Dörfer oder Weiden ran kommt, wo ja tagsüber Menschen unterwegs sind, ist ein Problemwolf, denn er hat eindeutig seine natürliche Scheu verloren.“

Frank Michelchen, Mutterkuhhalter aus Leibsch, Wolfsbeauftragter des Bauernbundes: „Man wirft uns hochnäsig vor, wir hätten das Rotkäppchen-Syndrom. Ich sehe eher das Dornröschen-Syndrom auf der anderen Seite. Die Naturschutz-Verantwortlichen in Brandenburg befinden sich im Tiefschlaf. Mit der Ausbreitung des Wolfs wird die Weidetierhaltung als wirtschaftliche Größe verschwinden. Die umweltgerechteste und artgerechteste Form, Tiere zu halten, wird so teuer gemacht, dass sie sich nicht mehr rechnet. Der ökologische Landbau bekommt ein Riesen-Problem, denn wir dürfen unsere Tiere gar nicht anders halten. Ohne Weide können wir dichtmachen.“

Quelle: Topagrar Alfons Deter 11.11.16

Zur Wolfssituation in Niedersachsen:

von Kerstin Geisel v. 15.7.16

Wie viele Wölfe leben aktuell in Niedersachsen – und gibt es irgendwann einmal eine Obergrenze für ihre Anzahl? Auf beide Fragen gab es am Donnerstag und Freitag interessante Antworten. Zunächst einmal hat das Wolfsmonitoring Niedersachsen am Freitag auf der Basis von Fotonachweisen ein neues Wolfsrudel bestätigt: Ein territoriales Paar und mindestens sechs Welpen leben demnach im Raum Göhrde (Landkreis Lüchow-Dannenberg). Außerdem wurden auf dem Truppenübungsplatz Munster fünf und im Raum Gartow zwei weitere Welpen entdeckt. Insgesamt leben damit nun rund 80 Wölfe in Niedersachsen, erklärte Florian Rölfing, Sprecher der Landesjägerschaft, die das Wolfsmonitoring verantwortet.

Obergrenze? Kurzfristig nicht, langfristig vielleicht

Ein Satz von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zu einer möglichen Wolfs-Obergrenze hat viele aufhorchen lassen. Weil hatte am Donnerstag beim Heidschnuckentag in Müden gesagt: „Natürlich kann ich verstehen, dass sich die Schafhalter große Sorgen machen. Wir müssen sicher à la longue dafür sorgen, dass die Population der Wölfe nicht unbegrenzt in Niedersachsen wachsen kann.“ Die Ausbreitung des Wolfes begrenzen? Heißt das: Niedersachsen rückt von der Willkommenskultur für Wölfe ab? Am Freitag gab es dazu einige Klarstellungen.

Über Begrenzungen muss mit der EU verhandelt werden

Der stellvertretende Regierungssprecher Olaf Reichert versicherte am Freitag, Weil habe seinen Satz so gemeint, er sei ihm keineswegs nur herausgerutscht. Aber: Zurzeit sehe das Land noch keinen Begrenzungsbedarf. Und die Sprecherin des Umweltministeriums, Justina Lethen, ergänzte: Es sei in Niedersachsen noch lange nicht so weit, dass sich der Wolf von selber erhalte. Und so lange gelte der strenge Artenschutz laut EU-Recht. Doch das könne sich irgendwann ändern. „Wenn die Fachleute sagen: Wir kommen jetzt in eine Größenordnung, wo man darüber nachdenken muss, wird natürlich mit der EU darüber verhandelt, wie es weitergehen kann“, sagte Lethen. Wie eine „Begrenzung“ des Wolfsbestandes aussehen kann – dazu gab es vom Land nichts Konkretes.

Quelle: NDR