Oostvardersplassen – neue Natur oder Tierquälerei in den Niederlanden?

StaatsboheerDas Naturentwicklungsgebiet Oostvaardersplassen liegt am nordwestlichen Rand der Provinz Flevoland zwischen Lelystad und Almere, unweit von Amsterdam in den Niederlanden.

Nach der Trockenlegung des südlichen IJsselmeeres – der heutigen Provinz Flevoland – im Jahre 1968 stellte man fest, dass der südlichste, am tiefsten liegende Teil des Polders nicht ganz trocken fiel. Das Gebiet war ursprünglich für die Ansiedlung von Öl- und Schwerindustrie vorgesehen. Nachdem eine weitere Trockenlegung größere Probleme als erwartet mit sich brachte und aufgrund der weltweiten Ölkrise entschied man sich 1972, die industrielle Nutzung aufzugeben. Da auch die Landwirtschaft keinen Bedarf an zusätzlichen und schwer kultivierbaren Flächen hatte, ließ man das Gelände brach liegen. Innerhalb kürzester Zeit vollzog sich anschließend eine natürliche Entwicklung in einem Ausmaß und Tempo, mit dem nicht einmal Fachleute gerechnet hätten.

Auf dem künstlich angelegten Land entstand das größte Tiefland-Riedmoorgebiet Mitteleuropas mit einer großen Anzahl brütender, ziehender, ruhender und überwinternder Vogelarten. 1986 erklärte die niederländische Regierung das Gebiet zum Staatsnatuurmonument. Bereits 1989 wurde es in die Liste der international bedeutsamen Feuchtgebiete nach der Ramsar-Konvention aufgenommen.

Im Laufe der Jahre begann das Gebiet infolge der natürlichen Sukzession zu verbuschen. Lediglich einige Flächen, die intensiv durch Graugänse beweidet wurden, blieben offen. Um diesen Prozess zu unterstützen, entschied man sich im Sinne der Megaherbivorenhypothese für die Ansiedlung großer Pflanzenfresser, um die Flächen ohne menschliche Eingriffe dauerhaft offen zu halten. Nach dieser Theorie gab es im frühen Europa nicht nur dichte Urwälder, wie bislang angenommen, sondern vor allem im sandigen Flachland große Offenlandbereiche, die auf den Verbiss durch große Herden von Weidetieren wie Wisent, Wildpferd oder Auerochse zurückzuführen seien. So begann man 1992 mit der Freilassung von Rothirschen, gefolgt von Konik-Pferden und Heckrindern.

Oostvaardersplassen ist zurzeit etwa 5600 ha groß und umfasst zu zwei Dritteln feuchte und zu einem Drittel trockene Biotope.

Die eingebürgerten Rothirsche, Koniks und Heckrinder, die aus Gründen eines möglichst großen Genpools aus verschiedenen Populationen Europas stammen, umfassen mittlerweile insgesamt rund 2200 Tiere (850 Hirsche, 1000 Pferde, 400 Heckrinder), Tendenz steigend.

Überlegungen, auch Wölfe anzusiedeln, die notwendig wären, um die Zahl der Pflanzenfresser natürlich zu regulieren, wurden bislang verworfen. Derzeit kommen nur marderartige Raubtiere und als größtes Raubtier zahlreiche Füchse im Gebiet vor. Um die natürliche Entwicklung möglichst wenig zu beeinflussen, werden lediglich

zwei Pflegemaßnahmen durchgeführt: einerseits der Abschuss kranker und stark geschwächter Weidetiere als Ersatz für die fehlenden Beutegreifer

und andererseits die Option zur Regulierung des Wasserstandes mittels einer Pumpstation, sofern extreme Wasserstände auftreten würden. Tiere, die so geschwächt oder verletzt sind, dass sie sich ohne Hilfe nicht wieder erholen können, werden von Parkwächtern erschossen um ihnen unnötiges Leiden zu ersparen. Ansonsten werden keinerlei Eingriffe durchgeführt.

In den letzten Jahren und besonders im Winter 2009/2010 entstand zunehmend Kritik an den Pflegemaßnahmen. Im Winter hungern Tiere und verhungern teilweise. Im niederländischen Parlament wurde mehrmals über schwere Winterbedingungen in Oostvaardersplassen diskutiert. Am 17. März 2010 hat das Parlament mit einem Antrag den Agrarminister aufgefordert, die hungernden Tiere zu füttern.

Von Tierschützern wird auch der hohe Tierbestand im Verhältnis zur Fläche als Folge der fehlenden Regulierung durch natürliche Feinde oder Jagd beklagt.

Und so sieht es wirklich im Garten Eden der Niederländer aus. Die Bilder des niederländischen Fernsehens sind nichts für schwache Nerven. Bitte bilden Sie sich ein eigenes Urteil über das Konzept eines „Naturentwicklungsgebietes“ in unserer Kulturlandschaft.