„Störungen“ – Begriffsdefinition und Auswirkungen

Das Problem: „Zunächst standen Störungen von Wasservögeln durch Jäger, Angler und andere Naturfreunde an Gewässern im Mittelpunkt der Kritik. Denn in diesen übersichtlichen Lebensräumen ist eine Störwirkung durch das Auffliegen der Vögel am augenfälligsten. Inzwischen werden menschliche Aktivitäten in der freien Landschaft von manchen Naturschützern generell als störend empfunden, auch bezüglich anderer Wildtiere und Lebensräume. Meist sind die vermuteten Auswirkungen jedoch weitgehend spekulativ. Die aktuellen Erkenntnisse aus dem jungen Forschungszweig der „Störungsbiologie“ dienen der sachlichen Auseinandersetzung mit diesen Ängsten und sollten Grundlage für ein wissenschaftlich fundiertes „Störungsmanagement“ sein.“ Zitat aus Volker Guthörl: Störung von Wildtieren durch Jagd.

Wann aber sind nun „Störungen“ als echte Störungen zu werten? Die Antwort gibt die Interpretation der FFH-Richtlinie (aus NATURA 2000 — GEBIETSMANAGEMENT Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG).

Bei einer Störung muß es sich um eine erhebliche Auswirkung auf die betroffene Art handeln (ein bestimmtes Maß an Störung wird toleriert).

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Freilaufender Hund

Die in Artikel 1 der Richtlinie enthaltene Definition des günstigen Erhaltungszustands kann bei der Festlegung von Grenzen für die Zulässigkeit von Störungen und Verschlechterungen im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie und bei der Bewertung als Maßstab verwendet werden.

Störungen der in einem Gebiet vorkommenden Art sind dann gegeben, wenn aus den Daten über die Populationsdynamik für dieses Gebiet erkennbar ist, daß die Art im Gegensatz zur Ausgangssituation auf Dauer kein lebensfähiges Element des Lebensraums mehr bilden kann. Die Bewertung erfolgt anhand des Beitrags des Gebiets zur Kohärenz des Netzes. Im Gegensatz zu den Verschlechterungen beeinträchtigen Störungen die physischen Bedingungen eines Gebiets nicht direkt. Störungen betreffen die Arten und sind oftmals zeitlich begrenzt (Lärm, Lichtquelle usw.). Somit sind die Intensität, Dauer und Frequenz der Störungswiederholung entscheidende Parameter.

Belgische Wissenschaftler sind der Frage nachgegangen, ob sich jagdbedingten Störungen von Wasservögeln wissenschaftlich beweisen lassen, oder ob es sich hierbei um ein Trugschluss handelt. Ihre Schlußfolgerungen:

„Regular hunting season takes place in the period where disturbance seems to have no or little impact on waterbird population dynamics. Flemish hunting law and hunting ethics further ensure that hunting disturbance has no impact on reproduction and survival. The categorical statement that hunting disturbance has an impact on population dynamics of waterbird populations seems not to be corroborated by scientific studies.“

Während sich die jagdbedingte Beunruhigung von Wasservögeln also hauptsächlich in einer unkritischen Zeit abspielt, erscheint aus unserer Sicht die zunehmende – ganzjährige – Beunruhigung der Vogelbestände im Nationalpark Wattenmeer durch Forschungsaktivitäten ein Problem zu sein.

Gerade während der sensiblen Phase der Brut- und Aufzucht werden die Vogelbestände im Nationalpark Wattenmeer regelmäßig durch die sogenannte Wasser- und Watvogelzählung, Beringungsaktionen und das Sammeln von Eiern zur Schadstoffuntersuchung massiv gestört, obwohl es wissenschaftlich erwiesen ist, dass es dadurch zu Brutverlusten im 2stelligen Prozentbereich kommen kann.

Dass diese Verluste nicht nur theoretisch auftreten zeigen die Bilder toter beringter Vogelküken der obigen Aktion:

Lachmöwe_J_beringt_2016_06_30

Lachmöwe_PA_beringt_2016_06_30

Lachmöwe_X_beringt_2016_06_30

Weiterführende Literatur zur Thematik: Störungen von Wildtieren

A Review of Human Disturbance Impacts on Waterbirds

The effects of investigator disturbances on nesting birds

Nest visits and capture events affect

Hunting disturbance on waterbirds

Hunting of migratory birds

Störung von Wildtieren durch Jagd